Landeshauptstadt Hannover
»Abgeschoben in den Tod«
15.12.2011 – 27.01.2012
Das kleine Büchlein ist in braunes Leder eingebunden. Auf dem Buchrücken ist in goldener Frakturschrift zu lesen „Stuttgarter Jubiläums-Bibel“. Erst das Innere der Bibel verrät mehr über seine Besitzerin und deren Schicksal. Viele nachträglich eingefügte Unterstreichungen einzelner Passagen zeigen ein gewissenhaftes Studium der Texte. Zudem sind zahlreiche Seiten übersät mit handschriftlichen Anmerkungen: Daten, Notizen von Geschehnissen wie „Arzt erschossen II.VI.1942“, immer wieder die Worte „Ghetto“ oder „KZ“.
Die Bibel gehörte Hilde Schneider, die als Jüdin christlichen Glaubens im Ghetto Riga einer kleinen Minderheit angehörte. Umso wichtiger wurde für sie ihre nach Riga mitgenommene Bibel, die die Funktion eines Tagebuchs und die letzte Verbindung zu ihrem christlichen Glauben übernahm. In dieser Zeit wählte Hilde Schneider auch ihr Geleitwort, das ihr Kraft gab:
„Ihr gedachtet’s böse mit mir zu machen; aber Gott gedachte es gut zu machen.“ I. Mose 50,20.
Hilde Schneider konnte unter Lebensgefahr die Bibel über die gesamte Zeit der Deportation, im Ghetto Riga, im KZ Kaiserwald und während der Evakuierung der Lager hindurch bewahren. Die Zeit der Verfolgung hatte ihren Glauben gestärkt. Nach der Befreiung studierte sie Theologie und war als Gefängnisseelsorgerin tätig.
Heute ist Hilde Schneiders Bibel in der Obhut von Dieter Zinßer, der als Vorsteher der Henriettenstiftung den Kontakt zu der ehemaligen Diakonissenschülerin gesucht hatte. Hilde Schneider ist auf dem Friedhof der Henriettenstiftung in Kirchrode begraben.
Hartmut Schmidt: Zwischen Riga und Locarno, Berlin 2000. S. 93
Hartmut Schmidt: Zwischen Riga und Locarno, Berlin 2000
Ausstellung: | 8 Objekte - 8 Schicksale |
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Laufzeit: | 11. Dezember 2016 bis 07. Januar 2017 |
Ort: | Bürgersaal im Neuen Rathaus Hannover |
Tafel: | 9 von 10 – Die Bibel |
Größe: | 650 x 2050 mm |
Technik: | Digitalprint auf Alu-Dibond |