Jüdische Gemeinde Hannover
»Neue Epoche für Juden in Deutschland«
11.12.2016 – 07.01.2017
Am 15. Dezember 1941 verließ der erste hannoversche „Transport in den Osten“ mit 1001 jüdischen Kindern, Frauen und Männern den Bahnhof Fischerhof in Richtung Riga. Am 10. Dezember hatte die Gestapo mit Einweisungen in das Sammellager Gartenbauschule Ahlem begonnen.
Die meisten Betroffenen wurden aus den sog. Judenhäusern „abgeholt“. Am Morgen des 15. Dezember mussten die Juden in Wagen steigen und wurden zum Bahnhof Fischerhof gebracht. Passanten, die den Abtransport beobachteten, schauten weg. Die Verschleppten wussten nicht, wohin sie gebracht wurden. Sie wurden im Bahnhof Fischerhof ohne Angabe des Zielortes in den Sonderzug der Reichsbahn verfrachtet. Ihre Bewacher und die Organisatoren der Deportation wussten Bescheid. Die Einwohnerpolizei schrieb auf die Meldekarte der Deportierten „abgeschoben Riga“. Von den 1001 Hannoveranerinnen und Hannoveranern lebten bei Ende des Krieges 1945 noch 69 Menschen.
Mit dieser zahlenmäßig größten Deportation von jüdischen Menschen aus der Stadt verbindet sich die letzte Konsequenz der antisemitischen Ausgrenzungen und Entrechtung. Durch die Deportation vom 15. Dezember 1941 wurde nahezu zweidrittel der damaligen jüdischen Bevölkerung Hannovers durch Kälte, Unterernährung, Zwangsarbeit und Mord vernichtet. Die Riga-Deportationen aus den deutschen Städten haben im Kontext der Vernichtung der europäischen Juden ebenso eine herausgehobene Bedeutung wie im regionalen und lokalen Kontext in Hannover.
Anlässlich des 70. Jahrestags der Deportation wurde im Jahr 2011 im Neuen Rathaus die Ausstellung „Abgeschoben in den Tod“ gezeigt und fand viel öffentliches Interesse. Das Projekt Erinnerungskultur – heute als Städtische Erinnerungskultur unter dem Dach des Zeitzentrums Zivilcourage – hatte die Ausstellung konzipiert und die Inhalte erstellt.
Die Ausstellung informiert über die Geschehnisse der Deportation vor Ort in Hannover und die Ghettohaft der hannoverschen Jüdinnen und Juden in Riga. Wichtig war den Kurator*innen auch die Tätergeschichte zu thematisieren. Ein Kapitel der Ausstellung beleuchtet auch die Nachkriegszeit: Wie gehen die Überlebenden mit ihrem Schicksal um, wie gestaltet sich das Gedenken an die Riga-Deportation in Hannover.
Im Fokus steht die Darstellung von exemplarischen Lebens- und Leidensgeschichten einzelner Personen und Familien. Mit dem „Raum der Namen“ wurden die vielen einzelnen Personen und Schicksale der 1.001 Personen besonders deutlich. Der biographische Zugang ermöglichte den Besucher*innen eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Thema. Der Katalog zur Ausstellung hat sich zu einem vielgefragten Standartwerk der lokalen Untersuchung zu den Riga-Deportationen entwickelt.