»Das Fahrrad «

Das Damenfahrrad, Baujahr 1920, dessen Teile über die Jahre wegen Verschleiß ausgetauscht wurden und an dem heute nur noch der Rahmen, der Lenker und Teile der Bremse in originalem Zustand sind, gehörte dem Rechtsanwalt und Überlebenden Dr. Horst Berkowitz (1893-1983).

Persönliche Gegenstände des Ermordeten Gerhard Berkowitz, seiner Ehefrau Else und seiner Tochter Birgit sind nicht erhalten. Das Fahrrad ist Teil des Vermächtnisses des einzigen in Deutschland Überlebenden der Familie. Symbolisch verbindet es jüdisches Leben in Hannover vor, während und nach der nationalsozialistischen Verfolgung.

Horst Berkowitz wohnte zusammen mit Gerhard Berkowitz und seiner Familie in der Erwinstraße 3 und wurde mit ihnen im September 1941 in das „Judenhaus Ellernstraße 16“ eingewiesen. Die Benutzung eines Fahrrades und der Straßenbahn war Juden verboten. Berkowitz konnte mit einer Sondererlaubnis der Gestapo auf dem Fahrrad ab 1940 zur Gartenbauschule Ahlen fahren, wo sein Büro als sog. „Judenkonsulent“ zur Rechtsberatung für Juden eingerichtet war.

Viele Hannoveraner kannten des Fahrrad, mit dem Horst Berkowitz durch Hannover, zu Klienten oder zum Gericht fuhr. Sein Jugendfahrrad hatte der begeisterte Radfahrer nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er schwer versehrt wurde, durch das Damenfahrrad ersetzen müssen. Bis ins hohe Alter fuhr Horst Berkowitz täglich mit ihm. Erst als die Polizei ihm riet, zu seiner Sicherheit und der anderer Verkehrsteilnehmer darauf zu verzichten, ging er nur noch zu Fuß.

Bildnachweis

Museum August Kestner

Literatur

Ulrich Beer: Versehrt, verfolgt, versöhnt. Horst Berkowitz, ein jüdisches Anwaltsleben, Essen 1979.

Hans Joachim Brand: Vergangenes heute. Historisches und Persönliches aus der Rechtsanwaltskammer Celle, 2. Aufl., Celle 2004.

Erlass des Reichssicherheitshauptamtes vom 13.11.1941: „Sämtliche in jüdischem Privatbesitz befindliche Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Vervielfältigungsapparate, Fahrräder, Photoapparate und Ferngläser sind zu erfassen und abzuliefern.“